Reichardhaus
Das vermutlich älteste erhaltene Gebäude der deutschen Luftfahrt steht in Freital.
Prof. Carl Johann Gottfried Reichard (1787 - 1844) war ein hervorragender Chemiker und Ballonfahrer. Seine Frau Wilhelmine Johanna Sigmundine (1788 - 1848) hob als erste deutsche Frau im Ballon zu Luftfahrten ab. Ihre insgesamt 17 Ballonfahrten erfolgten in Aachen, Berlin, Braunschweig, Bremen, Doberan, Dresden, Hamburg, Lübeck und München sowie in Brüssel, Prag und Wien. Jeder ihrer Aufstiege wurde gemeinsam mit ihrem Ehemann sorgsam vorbereitet und in ein publikumswirksames Rahmenprogramm eingebettet. Diese Veranstaltungen fanden begeisterten Zuspruch und wohlhabende Geldgeber, so dass von 1811 bis 1820 beide als Ballonfahrer das Kapital für den Bau einer geplanten chemischen Fabrik erwirtschaften konnten.
Die beiden gebürtigen Braunschweiger fanden im Plauenschen Grund im heutigen Stadtteil Döhlen ihren neuen Lebensmittelpunkt. Ihre in der Nähe der reichen Steinkohlenvorkommen im Jahre 1821 gegründete "Fabrik pharmazeutischer und technisch-chemischer Produkte" produzierte unter anderem Schwefelsäure. Damit konnte erstmals in Sachsen auf den Import dieses Produktes aus England verzichtet und dem im Zuge der industriellen Revolution entstandenen dringenden Bedürfnis nach diesem chemischen Grundstoff nachgekommen werden.
Das einstige Wohnhaus der Familie mit der heutigen Adresse Reichardstraße 9 ist das wahrscheinlich älteste erhaltene Gebäude der deutschen Luftfahrt und gehört - wie könnte es anders sein - einem Berufsballonfahrer, der auch mit einem roten Wilhelmine-Reichard-Ballon in den Lüften der Region schwebt. Er hat das geschichtsträchtige Haus 1998 erworben und bis 2001 historisch getreu restauriert. Für sein Engagement wurde Matthias Schütze im Jahr 2001 mit dem Wilhelmine-Reichard-Preis der Stadt Freital und 2005 mit der Goldenen Daidalos-Medaille des Deutschen Aero Clubs (DAeC) geehrt.