Offener Brief der Kommunen zur Umstrukturierung des Freitaler Krankenhauses
Die Bürgermeister der Weißeritzregion haben sich am 26. November 2024 unter Federführung der Stadt Freital mit einem gemeinsamen Offenen Brief an den Freistaat Sachsen gewandt. Hintergrund sind die Pläne der HELIOS Weißeritztal-Kliniken GmbH in Freital, die Abteilungen Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Pädiatrie im "HELIOS Cluster Sächsische Schweiz-Osterzgebirge" ab 1. Dezember 2024 in Pirna zu konzentrieren.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Köpping,
am 14. November 2024 haben die HELIOS Weißeritztal-Kliniken in Freital mitgeteilt, „die Abteilungen für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Pädiatrie innerhalb des HELIOS Clusters Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ab dem 1. Dezember 2024 am Standort Pirna“ zu konzentrieren. Diese Information erreichte sowohl die Öffentlichkeit als auch die Unterzeichner dieses Briefes völlig unvermittelt.
Die Schließung der Geburtenstation, Kinderklinik und Gynäkologie im Freitaler Krankenhaus ist ein harter Schlag ins Gesicht für die Bürgerinnen und Bürger der Region. Die Folgen der aus unserer Sicht verfehlten Gesundheitspolitik schlagen immer stärker durch und wir haben Verständnis für die Wut und Besorgnis der Menschen hier bei uns in der Region.
Diese Entscheidung von HELIOS-Kliniken hat weitreichende Folgen, die das Leben und die Gesundheitsversorgung der Menschen hier vor Ort unmittelbar beeinträchtigen. Für viele Patienten bedeutet es, deutlich längere Wege in Kauf zu nehmen, was gerade in Notfällen kritisch sein kann. Insbesondere für ältere Menschen und Personen mit Einschränkungen stellt dies unzumutbare Mehrbelastungen dar.
Die Ausdünnung des Klinikangebotes im ehemaligen Weißeritzkreis schwächt einmal mehr den ländlichen Raum – eine Region, in der rund 120.000 Einwohner zuhause sind.
Erst zum 01.01.2024 wurde der Standort Dippoldiswalde offiziell durch die HELIOS-Kliniken von einem Krankenhaus mit Notaufnahme in ein Medizinisches Versorgungszentrum mit internistischer Notfallbetreuung umgewandelt. Wohl wissend, dass Rettungsdienste nunmehr Notfälle ausschließlich nach Freital, Pirna oder nach Dresden verbringen, da eine stationäre Aufnahme nicht mehr am Standort Dippoldiswalde möglich war. In den stattgefundenen Gesprächen mit der Geschäftsführung von HELIOS wurde gegenüber der Großen Kreisstadt Dippoldiswalde immer versichert, dass es zu keiner weiteren Verschlechterung der medizinischen Versorgung kommen wird.
Jetzt erfolgt mit der Schließung der o. g. Stationen am HELIOS-Klinikum Freital eine weitere spürbare Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung vor Ort.
In einer Zeit, in der der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung und Pflege eher wächst als sinkt, wirkt sich der Wegfall dieser Stationen deutlich negativ auf die Lebensqualität unserer Region aus. Die grundgesetzlich garantierten gleichwertigen Lebensverhältnisse werden immer mehr infrage gestellt.
Die Entscheidung zur Schließung der Freitaler Kinderklinik, Geburtenstation und Gynäkologie des HELIOS-Klinikums steht außerdem klar im Widerspruch zu dem im Landesentwicklungsplan (LEP) niedergelegten landesplanerischen Gesamtkonzeptes der Staatsregierung.
Die Ziele der Raumordnung gelten gemäß § 4 Abs 1 ROG für öffentliche Stellen und für private Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen unmittelbar. Freital ist laut LEP Z 1.3.7 Mittelzentrum. „Die Mittelzentren sind als regionale Wirtschafts-, Bildungs-, Kultur-, und Versorgungszentren, insbesondere zur Stabilisierung des ländlichen Raumes, zu sichern und zu stärken.“
Die Begründung führt dazu u.a. aus: „… Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Sicherung von Versorgungsqualitäten der höherwertigen Daseinsvorsorge in zumutbarer Entfernung, aber auch als wichtige regionale Wirtschafts-, Versorgungs-, Bildungs- und Kulturzentren insgesamt, ist das Netz der Mittelzentren. Es stellt in Netzergänzung zu den Oberzentren ein räumlich ausgewogenes Grundgerüst zur Sicherung von Versorgungsqualitäten in den unterschiedlichen Teilräumen dar. Angesichts des landesweiten Rückganges der Einwohner- und Beschäftigtenzahlen soll dieses Standortsystem im Interesse von Planungskontinuität bedarfsgerecht stabilisiert werden. „
Krankenhäuser zählen zu den im Folgenden in der Begründung aufgeführten Ausstattungsmerkmalen von Mittelzentren. Die Einschränkung, dass nicht alle Infrastrukturen gleichermaßen im vollen Umfang vorhanden sein müssen, kann mit Blick auf Karte 1 des LEP und den als Ziel formulierten Versorgungsauftrag für den ländlichen Raum hier nicht angeführt werden.
Im ländlichen Raum südlich bis westlich von Dresden hat(te) Freital die einzige Kinderklinik und Gynäkologie. Das nächste und einzige weitere Mittelzentrum mit einer Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in diesem Raum ist das Kreiskrankenhaus Freiberg.
Die Versorgung mit Diensten des Gesundheitswesens ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit ein grundlegender Bestandteil der bereits erwähnten gleichwertigen Lebensverhältnisse. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind Einrichtungen und Leistungen der Daseinsvorsorge in allen Teilräumen des Freistaates zu sichern (LEP 2013, Z 6.1.1).
Gemäß G 6.2.1 sollen „…Dienste und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens … so entwickelt werden, dass in allen Landesteilen die sozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung durch ein breites, gleichwertiges und bedarfsgerechtes Angebot befriedigt werden können.“
Laut Z 6.2.3 ist „Die stationäre Versorgung … entsprechend den fachspezifischen Anforderungen durch ein abgestuftes Versorgungssystem sicherzustellen. Die Standortplanung orientiert sich am Zentrale-Orte-System. …“
Neben der eigentlichen medizinischen Versorgung betont der Landesentwicklungsplan die Bedeutung der Erreichbarkeit der Krankenhausstandorte mit dem ÖPNV. Der allein aufgrund der Betreiberstruktur formulierte Verweis auf eine Verlagerung der medizinischen Angebote von Freital nach Pirna stellt für weite Teile des betroffenen Verflechtungsraumes einen völlig unangemessenen bis nicht zu realisierenden zeitlichen Aufwand dar.
Im Kontext des demographischen Wandels war unmittelbar zu erwarten, dass insbesondere in den ländlichen Räumen die Frequentierung der Gesundheitseinrichtungen durch Kinder und schwangere Frauen am stärksten sinkt. Gleichzeitig ist der Anteil junger Frauen ein zentrales Moment in der Bevölkerungsstruktur – ihr Anteil wirkt sich, wie seit vielen Jahren fachlich dokumentiert, auf die Zukunftsfähigkeit der Regionen aus. Abstriche in der medizinischen Versorgungstruktur dieser Gruppen, die sich rein an absoluten Zahlen und Fragen der Wirtschaftlichkeit orientieren, destabilisieren die ländlichen Räume in unverantwortlicher Weise weiter. Sie sind des Weiteren kein adäquater Beitrag dazu, neue Anreize für eine Stabilisierung bzw. ein Wachstum der Geburtenraten in der Region zu schaffen.
Darüber hinaus bringt dieser Schritt auch für die Mitarbeiter des HELIOS-Klinikums am Standort Freital große Veränderungen und Belastungen mit sich. Die persönliche Betreuung, die viele am Krankenhaus geschätzt haben, droht zu verschwinden. Die Auswirkungen auf unternehmerische Entscheidungen – Stichwort weiche Standortfaktoren – lassen sich allenfalls erahnen.
Wir bitten und erwarten, dass sich die Staatsregierung zur Durchsetzung ihrer eigenen Ziele gemeinsam mit den betroffenen und hier unterzeichnenden Städten und Gemeinden klar positioniert und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf den Erhalt der Kinderklinik und Gynäkologie im Freitaler HELIOS-Klinikum hinwirkt.
Zur weiteren Sicherstellung der medizinischen Versorgung und der Vermeidung weiterer gravierender Einschnitte ist außerdem gemeinsam mit den Bürgermeistern und dem Landrat dringend eine transparente Diskussion beim Freistaat und Bund zu führen. Wir fordern den Freistaat auf, sich für Lösungen einzusetzen und gleichsam den Erhalt der gleichwertigen Lebensbedingungen sicherzustellen.
Uwe Rumberg
Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Freital
Kerstin Körner
Oberbürgermeisterin der Großen Kreisstadt Dippoldiswalde
Ralf Rother
Bürgermeister Stadt Wilsdruff
Frank Schöning
Bürgermeister Gemeinde Kreischa
Thomas Paul
Bürgermeister Stadt Rabenau/Sachs.
Heiko Wersig
Bürgermeister Gemeinde Bannewitz
Silvio Ziesemer
Bürgermeister Stadt Tharandt
Olaf Schwalbe
Bürgermeister Gemeinde Dorfhain
Sven Gleißberg
Bürgermeister Stadt Glashütte/Sachs.
Markus Wiesenberg
Bürgermeister Stadt Altenberg
Torsten Schreckenbach
Bürgermeister Gemeinde Klingenberg