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Freital bekommt ersten Stolperstein

Die Stadt Freital hat ihren ersten Stolperstein bekommen. Mitte Mai 2022 wurde in den Fußweg an der Dresdner Straße vor dem ehemaligen Kaufhaus in Potschappel eine Gedenktafel aus Messing eingelassen, die an die jüdische Familie Eckstein erinnert. Dazu waren auch Nachfahren der Ecksteins aus Kanada gekommen.

Ziel war ursprünglich, den Stolperstein zum 100. Geburtstag der Stadt zu verlegen. Das aber passte nicht in die Zeitplanung des in der Nähe von Köln lebenden Künstlers Günter Demnig, der das Projekt 1992 ins Leben gerufen hatte. Demnig, Jahrgang 1947, verlegt bis auf wenige Ausnahmen alle Stolpersteine, die von einem Bildhauer in Handarbeit graviert werden, selbst. „Wir wollen keine Masseverlegungen“, sagt Demnig, „es soll keine Routine werden. Jedes einzelne Schicksal bewegt uns und soll bewegen.“

Wie das der Familie Eckstein. 1883 in Haid, unweit von Karlsbad in Böhmen, als zweiter Sohn von acht Geschwistern einer Kaufmannsfamilie geboren, kommt Alois Eckstein 1905 nach Dresden. 1907 erwirbt Eckstein ein altes Gebäude an der Unteren Dresdner Straße. Im Erdgeschoss etabliert er sein eigenes Geschäft, dass er etwas großspurig Kaufhaus nennt. Aber Eckstein trifft den Nerv der Einwohner der künftigen Stadt Freital, aber auch den der Dresdner. Die Umsätze schnellen nach oben. 1913 entschließt er sich zum Bau eines neuen Geschäftshauses – modern, großzügig, ortsbildprägend. Allerdings bremst der Erste Weltkrieg den Aufschwung, Alois Eckstein bekommt den Einberufungsbefehl. Seine Frau Ida bringt das Kaufhaus durch diese Zeit.

Inflation und Weltwirtschaftskrise treiben Ecksteins an den Rand des Ruins. Aber die Familie gibt nicht auf. Erst mit Hitlers Machtantritt zeichnet sich das Ende der Eckstein-Ära ab. Nazis und SA-Schergen beschmieren die Schaufenster des Central-Kaufhauses. Alois Eckstein wird in „Schutzhaft genommen“ und kommt in das Konzentrationslager Buchenwald. Im Juni 1938 schließlich ist das Kaufhaus „restlos in arischen Besitz übergegangen“, wie es in einer Anzeige des neuen Betreibers Herbert Dahl heißt. 1940 wird Alois Eckstein aus Buchenwald entlassen. Seine beiden Kinder Ilona und Erich sind zu diesem Zeitpunkt bereits nach Kanada ausgewandert. Auch er und seine Frau finden dort nach einer achtjährigen Odyssee über Mauritius und Palästina schließlich eine neue Heimat. Alois stirbt 1956, Ida 1972, ohne dass sie je wieder in Deutschland waren.

Nun sind wenigstens ihre Namen nach Freital zurückgekehrt. Und besuchsweise mit Nora Freund eine Enkeltochter und zwei Urenkel aus Toronto. Sie waren ebenso eingeladen, wie der Österreicher Milan Vorhand, der das Kaufhaus, in dem zuletzt Trödel verkauft wurde, 2013/14 zu einem Wohnhaus umbauen ließ. Nach mehr als 75 Jahren ist das einstige Central- Kaufhaus der Ecksteins nun wieder in jüdischem Besitz.