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Wilhelmine Reichard (1788 bis 1848)

Freitals berühmteste Frau - Deutschlands erste Ballonfahrerin

Als die 23-jährige Wilhelmine Reichard aus Braunschweig am 16. April 1811 in Berlin mit einem Ballon in die Lüfte steigt, ist das eine Sensation. Sie ist als erste deutsche Frau und noch dazu allein mit einem Ballon unterwegs - und landet sicher wieder auf der Erde.

Kenner der Luftfahrtgeschichte bezeichnen Wilhelmine Reichard nicht nur deshalb als Luftfahrt-Pionierin. Fasziniert vom Schweben in luftiger Höhe und unterstützt von ihrem Mann Gottfried Reichard bringt sie es in nur einem Jahrzehnt auf 17 Fahrten. Ihre wissenschaftlichen Beobachtungen und exakten Messungen während der Ballonfahrten sind überliefert. Jeder ihrer Ballonaufstiege wird gemeinsam mit ihrem Ehemann sorgsam vorbereitet und in ein publikumswirksames Rahmenprogramm eingebettet. Diese Veranstaltungen finden begeisterten Zuspruch und wohlhabende Geldgeber, so dass beide als Ballonfahrer das Kapital für den Bau einer längst geplanten chemischen Fabrik erwirtschaften können.

Dass eine Reise im Ballon nicht ohne Risiko ist, zeigt ihre dritte Fahrt. Am 30. September 1811 hebt sie bei ungünstiger Wetterlage von Dresden ab und und erreicht eine Rekordhöhe von 7.800 Metern. Die junge Frau verliert in dieser Höhe das Bewusstsein, der Ballon zerreißt und stürzt am Wachberg in der Sächsischen Schweiz ab. Wilhelmine überlebt und startet trotz aller Widrigkeiten bald wieder...

Im Jahre 1814 lässt sich die Familie im heutigen Freitaler Ortsteil Döhlen nieder. Dort gründet Gottfried Reichard 1821 seine chemische Fabrik, zu der Wilhelmine durch ihre Ballonfahrten einen wesentlichen finanziellen Beitrag geleistet hat. Diese Fabrik ist die erste und für Jahrzehnte die einzige ihrer Art in Sachsen: ein Spitzenunternehmen zur Herstellung chemischer Präparate, von denen insbesondere die Schwefelsäure für die Landesindustrie von großer Bedeutung ist.

Mit ihrem Mann und ihren acht Kindern lebt Wilhelmine Reichard bis zu ihrem Tod am 23. Februar 1848 in Döhlen. Ein Gedenkstein auf dem Döhlener Friedhof erinnert an ihre letzte Ruhestätte.

Das ehemalige Wohnhaus in der Reichardstraße 9 zeugt noch heute an die Luftfahrt-Pionierin. Der Dresdner Ballonfahrer Matthias Schütze hat das geschichtsträchtige Haus in Freital-Döhlen 1998 erworben und bis 2001 historisch getreu restauriert. Das Wilhelmine-Reichard-Haus gilt als bedeutendes Kleinod der deutschen Luftfahrgeschichte. Für sein Engagement wurde Matthias Schütze im Jahr 2001 mit dem Wilhelmine-Reichard-Preis der Stadt Freital und 2005 mit der Goldenen Daidalos-Medaille des Deutschen Aero Clubs (DAeC) geehrt.